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Lebenshilfe Main Tauber Kreis

Rosen und ein Igelball zur Stimulation

Artikel vom 11.05.2022
Das Bild zeigt einen Zeitungsartikel mit folgendem Text: Wie Menschen mit geistiger Behinderung Sterbende begleiten können "Letzte Hilfe"-Kurs. Das Thema verunsichert: Wer setzt sich schon gern damit auseinander, dass auch geliebte Menschen eines Tages sterben müssen. Und doch ist es wichtig, sich damit zu befassen. Nur dann kann man jene, die man liebt, am Lebensende gut begleiten. In »Letzte Hilfe«Kursen wird vermittelt, wie das geht. Seit Neuestem gibt es diese Kurse auch in Leichter Sprache für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Die Lebenshilfe im MainTauberKreis möchte den Kurs heuer erstmals anbieten. Skeptische Eltern Peter Büche, Geschäftsführer der Lebenshilfe, versuchte, Teilnehmer für den Kurs zu werben. Bisher allerdings stieß er auf Skepsis bei den Eltern: »Sie befürchten, dass ein solcher Kurs ihre behinderten Kinder zu sehr aufwühlt.« Büches Plan, einen Letzte HilfeKurs in Leichter Sprache bereits im April anzubieten, scheiterte deshalb. Nun geht der Geschäftsführer einen anderen Weg: «Im September wird zunächst ein Bürgerkurs in Letzter Hilfe stattfinden«, informiert er. Sollte dieser Kurs die teilnehmenden Eltern begeistern, wovon Büche ausgeht, werden sie, so seine Hoffnung, auch den Kurs für ihre behinderten Kinder akzeptieren. Mit einer derart großen Zurückhaltung vonseiten der Eltern hätte Peter Büche nicht gerechnet. Und zwar deshalb nicht, weil das Thema an Brisanz gewinnt. Immer mehr Eltern haben erwachsene Kinder mit Behinderung, die 50 oder 60 Jahre alt sind und noch zu Hause leben. Sie selbst sind zwischen 70 und 80 Jahre alt. Neues Phänomen Das Phänomen ist neu, was medizinische und historische Gründe hat. Durch den medizinischen Fortschritt überleben laut Büche Behinderte, die früher als Kind gestorben wären. Außerdem entkam fast kein Mensch mit schwerer Behinderung dem Euthanasieprogramm der Nazis im Dritten Reich. Darum waren Eltern behinderter Kinder bisher jung. An regulären Letzte HilfeKursen nehmen meist Interessierte ab 18 Jahren teil. Für seinen Kurs in Leichter Sprache möchte Büche keine fixe Altersgrenze angeben. Bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen, erklärt er, kommt es nicht auf das Lebensalter, sondern auf den Entwicklungsstand an: »Wichtig wäre, dass die Teilnehmer fähig sind, zu sprechen und Sprache zu verstehen.« Wobei in dem Kurs keineswegs nur gesprochen und zugehört wird. Die Teilnehmer erfahren, was sie trotz ihrer Einschränkungen alles tun können, um einen sterbenden Angehörigen gut zu begleiten: »Das wird auch ganz praktisch geübt.« Selbst, wenn der Kranke nicht mehr ansprechbar ist, lässt sich noch einiges tun. »Der Mensch mit Behinderung kann zum Beispiel dessen Hand halten«, erläutert Büche. Auch ist eine sanfte Stimulation mit einem Igelball möglich. Ist der Sterbende noch ansprechbar, hat er jedoch Schwierigkeiten, zu trinken, gibt es viele Möglichkeiten, das Durstgefühl zu stillen. »Man kann zum Beispiel aus dem, was der Sterbende am liebsten getrunken hat, sei es Cola oder Rotwein, Eiswürfel machen, diese in eine Mullbinde wickeln und damit den Mund des Kranken befeuchten«, erläutert der Religionspädagoge. Auch dies sei Menschen mit Handicap möglich. Oft unnötig in der Klinik Aufgrund seines beruflichen Backgrounds findet es Peter Büche so wichtig, das Thema »Sterbebegleitung« bei der Lebenshilfe zu verankern. Bevor er hier zu arbeiten begann, leitete er in Freiburg einen Betreuungsverein. Rechtlich betreut werden Menschen oft bis zu ihrem Tod. Im Zuge dieser Tätigkeit erfuhr Büche, dass Schwerstkranke oft unnötig in eine Klinik kommen. Sie werden eingewiesen, weil sich ihre Angehörigen nicht zutrauen, die Sterbebegleitung zu übernehmen. Dabei wünschen sich die meisten Menschen, ihr Leben zu Hause zu beenden. Schmerzen lindern Dank moderner Arzneien ist es heute gut möglich, selbst starke Schmerzen zu blocken. Schmerzen zu lindern oder für Abhilfe bei Übelkeit zu sorgen, fällt dabei nicht in den Aufgabenbereich von Angehörigen, die einen Sterbenden begleiten. Dafür sind Profis zuständig. Im Kurs Letzte Hilfe erfahren die Teilnehmer, wo es Unterstützung gibt. »Man kann sich zum Beispiel an ein Team der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung wenden, das allerdings wissen viele Menschen nicht«, sagt Büche. Auch Hospizbegleiterinnen stehen zur Seite. Weder Menschen mit noch solche ohne Handicap müssen Medikamente verabreichen oder Infusionen legen. Kein Hungergefühl mehr Die Referentinnen des Letzte HilfeKurses machen auch deutlich, dass Sterbende ab einem gewissen Zeitpunkt kein Hungergefühl mehr haben. Das zu verstehen, ist laut Peter Büche äußerst wichtig: »Sonst wird versucht, dem Schwerstkranken etwas zu essen hineinzuzwängen.« Vermittelt wird weiter, wie wichtig Düfte sind: »Hat ein Sterbender ein bestimmtes Parfüm gern gemocht, kann man ihm dies aufs Handgelenk sprühen.« Das kann auch ein Mensch mit Behinderung tun. Genauso, wie er zum Beispiel der Mutter, die Blumen über alles liebte, ab und an eine duftende Rose unter die Nase halten kann. Durch Aufklärung versucht Peter Büche, Eltern, die bisher eingewendet haben, ein Letzte HilfeKurs würde ihrem behinderten Kind sicher nur Angst einjagen, dafür zu gewinnen, sich unvoreingenommen auf die Sache einzulassen. Geleitet wird der fünfstündige Kurs von Expertinnen der Hospizakademie Nürnberg. Dort wurden die Inhalte auch in Leichte Sprache übersetzt. Sollte der Kurs heuer noch in Tauberbischofsheim stattfinden, würde die Lebenshilfe im MainTauberKreis eine Pilotinstitution sein. Das Angebot in Leichter Sprache wurde zwar inzwischen evaluiert, allerdings außerhalb der Nürnberger Akademie noch nicht umgesetzt. PAT CHRIST Hintergrund Stichwort: Letzte Hilfe Der Schleswiger Palliativmediziner Georg Bollig erfand 2015 die Kurse zur "Letzten Hilfe" nach dem Vorbild der Erste HilfeKurse. Seinem Konzept zufolge wird in vier Blöcken Wissen zu den Themen Sterben, Vorsorge, Leidenslinderung und Trauer vermittelt. Die Lebenshilfe im MainTauberKreis möchte noch in diesem Jahr einen Letzte HilfeKurs in Leichter Sprache anbieten. Wer daran Interesse hat, kann sich unter Tel. 09341 845524 oder per Mail melden. (pat)
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